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Die Ostdeutschlandforschung muss das Wohnen in den Blick nehmen Plädoyer für eine neue politisch-institutionelle Perspektive auf ostdeutsche Städte

Autor/innen::

Matthias Bernt , Andrej Holm

Abstract

Ostdeutschland ist in den vergangenen Jahren verstärkt zum Thema öffentlicher und wissenschaftlicher Debatten geworden. Neben Pegida und AfD haben dabei auch neue Zahlen zur Segregation in ostdeutschen Städten das wissenschaftliche Interesse wiederbelebt. Der Beitrag kritisiert vor diesem Hintergrund die weitgehende Ausblendung institutioneller Perspektiven in der Ostdeutschlandforschung sowie die fehlende Berücksichtigung von ostdeutschen Sonderbedingungen in der Stadtforschung. An den Beispielen der Restitutionsregelungen und der ‚Altschuldenhilfe‘ skizziert der Beitrag den harten Bruch der ostdeutschen Wohnerfahrungen. Beide Transformationsentscheidungen stehen exemplarisch für die umfassende Privatisierung der ostdeutschen Wohnungswirtschaft, die Überführung von gesellschaftlich verankerter Wohnsicherheit in Marktbeziehungen und die Neuzusammensetzung der Eigentumsstrukturen. Die wachsende Bedeutung verwertungsorientierter Investitionskalküle und entlokalisierter Eigentumsstrukturen sind dabei keine Übergangsphänomene einer nachholenden Anpassung, sondern langfristig wirksames Ergebnis der Transformation. Daraus abgeleitet wird ein doppeltes Argument: Zum einen kann die Stadtentwicklung in Ostdeutschland nur vor dem Hintergrund der auf die Wiedervereinigung folgenden umfassenden Privatisierungen verstanden werden. Diese verursachten eine Serie von Nebenwirkungen, deren Folgen die Stadtentwicklung in Ostdeutschland bis heute belasten. Zweitens eröffnet die Einbeziehung von Themen der Stadt- und Wohnungsforschung neue Perspektiven für die Ostdeutschlandforschung. Gerade weil sich im Wohnen Alltagserfahrungen und politisch-ökonomische Strukturen kreuzen, muss die Untersuchung von spezifisch ostdeutschen Subjektivitäten durch die Analyse konkreter Machtverhältnisse und institutioneller Rahmenbedingungen fundiert werden.

Förderung

Dieser Artikel wurde durch den Open Access Publikationsfonds der Humboldt-Universität zu Berlin gefördert.